Alltag&Anschauungen

Wednesday, July 26, 2006

Schwarz Rot Gold - Schon wieder reingeholt?






Oder: Darf man seinen Nationalstolz jetzt noch raushängen lassen?

Heute sehe ich auf dem Heimweg eine Deutschland-Flagge von einem Balkon hängen und unwillkürlich stellt sich mir dir Frage: "Ist das ein Überbleibsel der WM oder haben wir hier einen Rechtsgesinnten im Dorf?"... und dann gleich darauf: "Damn! Vorurteil! Voll erwischt!" Kurz darauf ein Kind mit gefärbten Haaren. Schwarz- ein verwaschenes Rosa- Blond.
Wir befinden uns in der Übergangsphase. Vor fast 3 Wochen versank Deutschland noch im Fahnenmeer, jetzt kehren wir so langsam zur Normalität zurück. Moment! Normalität? Ist es normal, dass jemand, der die Nationalfarben offen trägt, sofort verdächtigt wird rechtsorientiert, gar ein Nazi, zu sein? Warum ist es für Deutschland so schwer wie für kein anderes Land zu einem gesunden Nationalgefühl zu finden? Einige deutsche Bands haben es in letzter Zeit schon versucht... nette Lieder, ein positives Gefühl zum Vaterland vermitteln. Aber sofort Widerstand, Angst, "Ihr dürft nicht vergessen!", "Rechtsgesinnung wird legitimiert". Dann "Du bist Deutschland". Da sollte am Image gefeilt werden. Wir kennen das alle...
Während der WM: Jubel! Endlich ein positives Fahnenschwenken. Alle Teilnehmerländer zusammen! Jetzt darf auch endlich Deutschland ohne Reue mitmachen! Zu Gast bei Freunden... Das hat man ja ganz klar vorher gesagt. Und da wird auch keiner verdächtigt, wenn er sich ein bisschen mehr freut, er sei ein Rechter. Während der WM sind wir alle gut.
Aber wie soll´s jetzt weitergehen? Fahnen abhängen und maximal noch im Stadion schwenken? Sind wir wieder auf dem Stand von davor?
Ist mein Nachbar nun ein Rechter oder hat er die Fahne vergessen? Oder warum könnte er sonst eine Flagge raushängen?

5 Comments:

At 11:36 AM, Blogger Mathias Ellwanger said...

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At 11:45 AM, Blogger Mathias Ellwanger said...

Gute Frage, Meike! An der haben sich ja ganze Journalistenhorden die Finger wundgeschrieben: die Konservativen vor freudiger Begeisterung und in der Hoffnung, dass die WM ihren Teil dazu beiträgt, Deutschland wieder zu einer "normalen" Nation zu machen; die Linken und Liberalen aus dem unbestimmten Gefühl des Befremdens heraus, aber schließlich doch überrascht, dass nicht jeder Fahnenschwenker automatisch zum dumpfe gewaltbereiten Nationalist wird. Und gerade diese positive Umdeutung der deutschen Flagge von einem möglichst selten und mit Distanz zu gebrauchenden, nationalistisch interpretierten Symbol zur vereinten Trikolore der größten Party des Jahrzehnts ist doch schön. Denn schließlich sind die deutschen Farben ja ursprünglich positiv besetzt, stehen für die demokratischen Bestrebungen im 19. Jahrhundert, waren die Farben der (leider gescheiterten) Weimarer Republik und jetzt der BRD. Schwarz-Rot-Gold steht also für die eher schönen Seiten unserer Geschichte - den Nazis bleibt ja immer noch die Deutsche Reichsflagge, und das ist gut so. Trotzdem werde ich mir weder eine Flagge kaufen noch eine aus dem Fenster hängen, ich wüsste nicht warum. Wer das aber tun möchte soll das gerne tun, genauso wie die Türken mit ihrer Türkeiflagge oder die Italiener mit ihrem Grün-Weiß-Rot. Ob derjenige nun rechts oder links ist, voll politisiert oder nicht, das Zeichen positiv oder negativ besetzt, all das lässt sich eben nicht mehr so leicht herauslesen aus der reinen Tatsache, dass da eine Fahne hängt. Und ich bin inzwischen davon überzeugt, dass die WM zwar keinen radikalen Wandel, aber doch eine leichte Veränderung im Selbstbild der Deutschen zur Folge haben wird. Damit müssen wir wohl leben und sind in diesem Sinne vielleicht wirklich ein wenig mehr zu einer "normalen" Nation geworden...

P.S. Aber hoffentlich verschwinden bald diese blöden Fahnen von den Autos, das sind doch keine Diplomaten!

 
At 4:47 PM, Anonymous Anonymous said...

Hallo Meike,
am Ende ist es doch "nur" eine Fahne, oder? Aufgeladenes Symbol für ... ja, für was eigentlich? Wie auch schon mein Vorschreiber würde ich in die Kerbe schlagen, dass Schwarz-Rot-Gold keine verfänglichen Farben sind. Ich war mit Cindy in Tübingen unterwegs und da gibts doch tatsächlich eine Verbindung an der Hauptstraße, die allen Ernstes eine ca. 6 auf 2 Meter große Schwarz-Rot-Weiße Flagge draußen hängen haben. Auch wenn das die Farben der Verbindung sein mögen ist sowas einfach nur Fehl am Platz! Ich persönlich hab ja schon bei der Flagge von Trinidad & Tobago bei der WM geschluckt (Schwarz-Rot-Weiß, aber mit einem Schrägstrich in der Mitte).
Aber um weniger abzuschweifen: Mit der Flagge ist es wie mit jedem Symbol: Es kann für gutes und schlechtes stehen, nicht wahr? Im Endeffekt sagt die Fahne deines Nachbarns somit genauso viel aus wie wenn er keine draußen hängen hätte.

Aber bei den Fahnen an den Autos muss ich sagen: Sowas blödes!
1.: Der Türgummi geht kaputt
2.: Nach ein paar Kilometern sind sie meistens zerfetzt vom Fahrtwind und sehen noch blöder aus
3.: Mehr Luftwiderstand --> mehr Benzinverbrauch

Du siehst also: Aus der schwäbischen Sicht heraus sind diese Fahnen wirklich unnötig und schädlich - und teuer!

Bis bald,
Dein
Sascha W.

 
At 9:49 PM, Blogger Meike said...

danke für die kommentare..
symbole bedeuten eben für jeden etwas anderes... und da wird dann interpretiert, was der andere damit meint. ich hab versucht das mal eher neutral zu sehen...der blog eintrag beinhaltet thesen, die ich einfach mal so in den raum geworfen hab (das mach ich übrigens gerne ;) )

 
At 6:14 PM, Blogger Mathias Ellwanger said...

Aus der heutigen FR:

WM-EUPHORIE SCHÜRT INTOLERANZ
Die fröhliche "Schwarz-Rot-Gold"- Euphorie während der Fußball-WM hat ausgrenzenden Nationalismus gefördert, nicht aber die positive Identität der Deutschen. Der "softe Patriotismus" führte laut einer Studie eher dazu, Fremde abzulehnen.

Berlin - Während der Stolz, Deutscher zu sein, unmittelbar nach der WM deutlich stieg, sank zugleich der Stolz auf demokratische und soziale Errungenschaften des Landes. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, die im Rahmen eines Forschungsprojekts der Universität Bielefeld durchgeführt wurde. Bei ihrer Langzeitstudie "Deutsche Zustände", die seit 2002 in jährlichen Abständen die Anfälligkeit der Bundesbürger für "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" untersucht, erforschten die Wissenschaftler um den Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer auch die Folgen der nationalen Partystimmung im Sommer 2006.

Resultat ihrer Befragung vor und nach der WM: Die Wertschätzung für die Demokratie in Deutschland sank um glatte fünf Prozent auf den niedrigsten Stand seit fünf Jahren. Zugleich stimmten 86 Prozent der Befragten zu, sie seien stolz, Deutsche zu sein. Vor der WM waren es knapp 80. Fazit der Forscher: Die These, ein "gesunder patriotischer Nationalstolz" führe auch zu größerer sozialer Bindewirkung und mehr Offenheit und Toleranz, sei eine "Fehleinschätzung". Versuche, die darauf abzielten, nationale oder patriotische Einstellungen zu stärken, wie die Kampagne "Du bist Deutschland" oder die deutsche Leitkultur-Debatte, könnten "höchstambivalente" und sogar "riskante" Folgen haben, warnte Heitmeyer.

Unabhängig vom diesjährigen Fußball-Großereignis registrierten die Wissenschaftler, die mit ihrem Zehn-Jahres-Projekt "Deutsche Zustände" den Deutschen in puncto Fremdenfeindlichkeit und Einstellungen gegenüber Minderheiten und Schwachen den Puls fühlen, deutlich wachsende Vorbehalte gegen Ausländer. Fast 60 Prozent der Befragten stimmten der These "eher" oder "voll und ganz" zu, dass zu viele Ausländer in Deutschland lebten. Das sind sechs Prozent mehr als in der Befragung vor vier Jahren.

Gewachsen sind vor allem Aversionen gegen Muslime. Gut 28 Prozent konnten sich mit der Forderung anfreunden, Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden. Während die Fremdenfeindlichkeit im Allgemeinen mit der Höhe des Bildungsgrads abnimmt, zog sich die Abwehr gegen den Islam durch alle Schichten. Für wachsenden Antisemitismus fanden die Forscher keine Hinweise. Der "klassische Antisemitismus" sei im Vergleich zu den Vorjahren leicht rückläufig. Wegen des Konflikts zwischen Israel und Libanon sind die Vorbehalte gegen Juden aber wieder auf den Stand von 2002 gestiegen, urteilt die Studie.

Weiter gewachsen sind die Ängste der Deutschen vor Arbeitslosigkeit und sinkendem Lebensstandard. In deren Folge sehen die Forscher vor allem im ländlichen und kleinstädtischen Raum wachsende "Desintegrationstendenzen", die mit Fremdenfeindlichkeit und "Demokratieentleerung" einhergehen. Vor allem in den Abwanderungsregionen Ostdeutschlands drohten rechtspopulistische und feindselige Tendenzen zum homogenen System zu werden, warnt die Studie. (Vera Gaserow)

 

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