Alltag&Anschauungen

Sunday, February 18, 2007

American Psycho – Erstmal gelacht, dann nachgedacht

















Eine Interpretation…
- nicht lesen, wenn du den Film noch sehen willst! -

Erwartet habe ich viel Nervenkitzel, bekommen habe ich einige Lacher und am Ende eine Ernüchterung und dann das große Nachdenken.
American Psycho ist lustig – wenn man über diese Art Humor lachen kann. Christian Bale brilliert als gelangweilter, aalglatter Yuppie mit perfektem Körper und ohne Beschäftigung. Seine Zeit verbringt er damit, im Büro die Zeit totzuschlagen und mit seinen langweiligen Freunden Essen zu gehen oder sich Nutten zu kaufen und seine Affäre mit einer dauerzugedröhnten liierten Frau zu pflegen. Seine einzige Leidenschaft ist die Musik. In diesem Gebiet meint er Kenner zu sein und quält seine armen Opfer mit oralen Schwallen über die unglaublichen Werke einer Whitney Houston. Den Job im Büro hat er nur über seinen Vater bekommen, dort wird er ständig mit einem anderen, ähnlich gestylten Kollegen verwechselt. Patrick Bateman ist ein Loser, ein frustrierter Niemand ohne Aufgabe, der versucht über die Perfektion seines Äußeren mit exzessivem Training, tausend Cremes und teuren Anzügen Anerkennung zu erlangen. Er flippt aus, wenn die Visitenkarte eines anderen mehr Lob erfährt als seine eigene oder der Konkurrent einen Tisch im populärsten Restaurant der Stadt bekommt. Dann kann der geneigte Zuschauer einen Blick auf Patricks andere Seite werfen. Dieser Patrick ist ein Killer. Während seine Besucher nett in seiner teuren Upperclass-Wohnung mit ihm plauschen und der Gastgeber sich als Musikkritiker aufspielt, bereitet dieser im Hintergrund bereits alles vor für sein wunderbar inszeniertes und – für den Besucher – doch so erfrischend überraschendes Gemetzel. „Huch, warum ist denn der weiße Teppichboden abgedeckt mit Zeitschriftenseiten?“ „Ach, du hast dir einen Regenmantel angezogen.“ „Ja was macht denn das Beil in deiner Hand?“ Und schon geht es los mit der Blutspritzerei und der Fan des übertriebenen Blutrausches frohlockt und lacht. Bereits an dieser Stelle fällt auf wie inszeniert und unreal der Mord dargestellt wird… sehr passend zur späteren Auflösung. Es geht gerade so weiter, ein Blutbad nach dem anderen – und einige Unregelmäßigkeiten, die stutzig machen und zum Lachen bringen. Warum kann Patrick unbemerkt mit der Leiche im Kleidersack zum Taxi kommen? Dort trifft er einen Bekannten, der noch meint „Oh wow! Schicker Kleidersack! Wo hast du den her?“. Wie kommt es, dass im ganzen Hotel, in dem er sein schickes Penthouse hat, niemand mehr wohnt? Als er eines seiner Opfer mit der Kettensäge (Anspielung auf „The Texas Chainsaw-Massacre“) durchs Treppenhaus jagt, reagiert keine Sau auf den Lärm und das Geschrei! Warum riecht keiner seiner Gäste den unglaublichen Gestank der Leichen, die sich überall in den Schränken und Räumen befinden? Jede Menge Anspielungen und Clichés aus Horrorfilmen. Aber dies ist kein normaler Horrorstreifen. Es passt also so gar nicht ins Bild. Doch Patrick Bateman ist bis zuletzt überzeugt, er hat all diese Menschen umgebracht. Er gerät zunehmend in Panik und gesteht seinem Anwalt all seine Taten auf dem Anrufbeantworter. Als er, nahe eines Zusammenbruchs, diesen zufällig in einem Restaurant trifft, kann der Anwalt nur herzlich lachen über diesen wirklich guten Scherz… eines von Patricks angeblichen Opfern, das tatsächlich vermisst wurde, ist in London gesehen worden! Von den unzähligen anderen Toten weiß keiner etwas. Patrick bleibt am Ende nur die Ernüchterung, dass selbst das Geständnis seiner unglaublichen Taten rein gar nichts bewirkt. Er bleibt bedeutungslos in dieser Gesellschaft, die sich nicht für die „Wahrheit“ interessiert. Was er sich in seinem kranken Hirn im perfekten Körper zusammen spinnt und ausdenkt ist nicht von Bedeutung für seine Mitmenschen und schockiert allerhöchstens seine Sekretärin, die ihn wirklich zu mögen schien, und die gewalttätigen Zeichnungen seiner Morde in einem Notizbuch findet.
American Psycho ist eine Kritik an die High Society, die sich nicht darum schert, was der Einzelne fühlt und denkt, solange nach außen alles perfekt ist. Gesprächsthemen sind teure Restaurants, Visitenkarten mit Goldgravur und Koks. Hier kann nichts mehr schocken. Wer heute wichtig ist, ist morgen wieder von der Bildfläche verschwunden. In dieser Gesellschaft versucht Patrick Bateman verzweifelt heraus zustechen. Er glaubt, über Leben und Tod anderer zu entscheiden und hält sich in seinem Wahn für Gott. In einer Art Parallelwelt lebt er seine Mordfantasien aus und glaubt bis zuletzt an diese verschobene Wahrnehmung.
Der Film hat mich am Ende doch traurig und nachdenklich gestimmt. Wo leben wir, dass ein Mensch mit einer derart kranken Fantasie keinerlei Beachtung findet?